Das Ich und der Weg – Meditationen eines sprirituellen Nomaden
Aus vielen Vorträgen entstanden, wird mein Buch voraussichtlich im März 2022 fertiggestellt sein.
Zurzeit versuche ich, für die Publikation ein Fundraising zu organisieren – wer hier Erfahrung oder Hinweise hat, ist mit seinen Ideen oder Vorschlägen herzlich willkommen.
Ausgehend von vielen Zitaten, Aphorismen und Formulierungen, gesammelt seit vielen Jahren, aus Büchern, TV und allen Medien, habe ich Vorträge gestaltet, deren Inhalt ich jetzt ausformuliert habe.
Ein Fokus steht im Zentrum, der mich immer bewegt hat: was ist dieses Ich – mein Ich? Was ist mein „Selbst-Verständnis“?
Seit Anbeginn fragt sich der Mensch nach dem Sinn seines Lebens, seiner Rolle, die er im täglichen Leben spielt, nach dem Wesen dieser Welt und des Universums. Aus meiner Sicht galt und gilt das auch für die modernen, abendländischen Wissenschaften, die immer von denselben Fragen getrieben wurden.
Wir leben ständig in der Auseinandersetzung mit uns selbst, mit dem eigenen „Ich“, mit unseren Wünschen, Ängsten, Hoffnungen und Erwartungen und realisieren früher oder später, dass hier, in diesem „Ich“ der Grund für unsere Unzufriedenheit, für unser Unglücklich-sein und auch unsere Einsamkeit gelegt ist. Wir sehnen uns nach Harmonie und Eins-sein und meinen, diesen Zustand nur in für uns unerreichbar erscheinenden Zuständen, wie einer „vollkommenen Liebe“, einer mystischen Erfahrung, der Erleuchtung, durch ein asketisches, religiöses Leben oder zumindest durch ständige „Flows“, wie wir sie beim Bergsteigen oder anderen Extrem-Sportarten meinen erreichen zu können.
Vielleicht liegen diese mystischen Erfahrungen und Erleuchtungen sehr nahe, vielleicht haben wir sie schon gehabt – ohne uns dessen bewusst zu sein oder einfach: weil wir keine Worte dafür finden konnten oder auch kein Gegenüber hatten, der oder die uns half, unsere Erfahrungen in ihrer Bedeutung für uns klar werden zu lassen?
Was ist also dieses „Ich“, warum habe „Ich“ Probleme, woher kommen meine Vorstellungen, wie mein Leben sein soll, was bedeutet für mich der Tod, die Liebe, die Wut, warum mache ich immer wieder dieselben Fehler, warum entscheide ich mich gerade so, warum ging es mir heute früh gut und warum jetzt schlecht, was hindert uns, glücklich zu sein, Zufriedenheit zu empfinden, jetzt in diesem Augenblick, und im Einklang mit Allem zu leben, was uns widerfährt?
Es sind Mediationen über die verschiedensten spirituellen Fragen wie nach dem woher, wohin und wozu, nach dem Ursprung des Seins, auch mit dem Vergleich, was uns heute die Physik, Kosmologie, Astronomie, Neuropsychologie und Biologie sagen können.
Leseprobe:
Leben ist Leiden – wie schrecklich!
Dies, ihr Mönche, sind die vier edlen Wahrheiten. Welche vier?
Das Leiden,
die Entstehung des Leidens,
die Aufhebung des Leidens und der zur
Aufhebung des Leidens führende Weg.
Was nun ist das Leiden? Geburt ist Leiden, Alter ist Leiden, Krankheit ist
Leiden, Tod ist Leiden, mit Unliebem vereint sein ist Leiden, von Liebem
getrennt sein ist Leiden, nicht erlangen, was man begehrt und erstrebt,
auch das ist Leiden,
kurz die fünf Gruppen des Ergreifens sind Leiden. Das heißt Leiden.
Was ist die Entstehung des Leidens? Es ist der Durst, der zur Wiedergeburt
führt, der von Wohlgefallen und Begierde begleitet da und dort Gefallen findet.
Das heißt die Entstehung des Leidens.
Was ist die Aufhebung des Leidens? Es ist die restlose Ablehnung und
Aufhebung dieses Durstes, der zur Wiedergeburt führt, der von Wohlgefallen
und Begierde begleitet da und dort Gefallen findet, sein Aufgeben und seine
Unterdrückung. Das heißt die Aufhebung des Leidens.
Und was ist der zur Aufhebung des Leidens führende Weg?
Es ist der edle achtgliedrige Pfad, nämlich rechte Ansicht, rechtes Denken,
rechtes Reden, rechtes Handeln, rechtes Leben, rechtes Streben, rechte
Wachsamkeit und rechte Sammlung.
Das heißt der zur Aufhebung des Leidens führende Weg.
Das ihr Mönche sind die vier edlen Wahrheiten.
Nach Erich Frauwallner 1993, S. 183–84.
Kommentar: Genial dieser Buddha, uns in einem einzigen Wort zu fangen. Kein
Gott, keine Philosophie, keine Metaphysik, kein Schwer, kein Leicht, kein Anfang,
kein Ende, kein Ziel, keine Rettung, auf das Herz gezielt und das Universum
getroffen; einfach nur eine Selbstverständlichkeit, eine Erfahrung aus der Erlösung
wächst.
Meditation: Der Buddhismus, steht und fällt mit einem einzigen Wort, mit der
Beschreibung, mit der Identifikation unserer menschlichen Existenz mit einem
psychischen Zustand, der allem Menschsein gemein ist, und dieses Wort heißt
„Leiden“.
Es ist ein Wort, nur ein Wort und es ist nur ein Zustand unserer vielfältigen Gefühle
und psychischen Zustände. Warum? Warum nicht Hass, Liebe, Depression, Angst
oder Unzufriedenheit? Warum also gerade das?
Dieses eine Wort steht am Anfang einer Weltreligion, am Anfang einer ausgefeilten
Philosophie, über die sich Generationen von Mönchen und Gelehrte den Kopf
zerbrochen haben, ein Wort mit einem Strauß von Konnotationen, Bedeutungen und
Erfahrungen, in das sie sich versenkt haben.
Es ist offensichtlich, dass auch diese Religion ihren Grund in einem einzigen Wort
findet, so wie im Christentum der Begriff „Wort“ oder „Licht“ in der Bibel. Aber der Buddha geht
weiter, hier wird kein Ursprung festgelegt, aus dem alles entstand, keine lineare
Entwicklung unserer Welt und unserer menschlichen Existenz mit Anfangs- und
Endpunkt dargelegt, sondern ein immer Dagewesenes beschrieben, eine mit dem
Menschsein untrennbar verknüpfte Erfahrung hervorgehoben, die immer galt und gilt.
Und es ist diese Verknüpfung, diese Gleichstellung von Mensch gleich Leiden, die
eine Heilslehre begründet, auf die alles zurückgeht. Und hier trennen sich die Wege
von Buddhismus und anderen Religionen.
Für uns wirkt diese Gleichsetzung zunächst eher abstoßend und befremdlich,
geradezu gruselig, wie kann ich meine Existenz so negativ betrachten, so
pessimistisch und geradezu abwertend?
Damit hatten und haben die Menschen außerhalb von Asien so ihre Probleme und
bewerten den Buddhismus oft als negativ und pessimistisch, ohne zu sehen, was es
eigentlich bedeutet, und was es für uns, für jeden einzelnen von uns im positiven, im hilfreichen Sinne
bedeuten kann.
Und wir müssen noch einen anderen Umstand berücksichtigen, der den Buddhismus
besonders macht. Diese Erkenntnis des Buddha geht nicht
zurück auf ein intellektuelles analysieren, auf das rationale Ergebnis diskursiven
Denkens, sondern der Buddha hat diese Erkenntnis nach strenger Meditation und
todesverachtender Entschlossenheit erfahren, er hat kein Problem gelöst, wie eine
Mathematikaufgabe, er hat vielmehr eine Erfahrung gemacht. Er hat gespürt, gefühlt,
gedacht, mit allen geistigen und physischen Sensoren wahrgenommen, in nur einem
einzigen Augenblick. Er hat etwas „er-fahren“, eben wie wenn man mit einem Karren
in unbekannte Gegenden aufbricht und diesen Weg er-fährt.
Der Buddha hat kein Weltbild ausgearbeitet, keine Psychologie entworfen und auch
keine Überlieferungsgeschichte zugrunde gelegt, die vom Anfang bis heute reicht. Es
ist auch das Fehlen von mysteriösen Legenden und Geschichten und zunächst auch
kein dogmatisches System. Das kommt alles später hinzu.
Es ist einzig und allein eine Erfahrung und diese Erfahrung wird von ihm als das
„Erwachen“ bezeichnet. Darum ging es ihm, und darum geht es im ganzen
Buddhismus, in allen seinen Formen und Ausprägungen, die Erfahrung des
Erwachens, Bodhi genannt.
Buddha – ein Partizip-Perfekt-Passiv dieser Wurzel heißt: der Erwachte. Die Person
mit Namen Siddhartha Gautama wird zum Erwachten.
Erwachen? Wir erwachen aus dem Schlaf. Nur so verstehen wir es gemeinhin. Unser
Leben daher ein Schlaf? Erwachen als die blaue Pille, die uns in die Matrix, die eigentliche Wirklichkeit führt?
Das Erwachen
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